Wie kann Energiepolitik im 21. Jahrhundert gestaltet werden? Welche zentralen Eigenschaften muss die Energiepolitik der Zukunft erfüllen? Und welche Vorteile bieten hierbei die Erneuerbaren Energien? Eine große Zahl von Bürgerinnen und Bürgern folgte der Einladung der Kreis Klever SPD-Bundestagsabgeordneten Dr. Barbara Hendricks, im Rahmen der Veranstaltungsreihe „Fraktion vor Ort“ mit dem Energiepolitischen Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Rolf Hempelmann, über diese und andere Fragen rund um die Energiepolitik zu diskutieren. An der anschließenden Podiumsdiskussion im vollbesetzten Sitzungssaal des Hotels „Straelener Hof“ nahmen ebenfalls teil: Heinz-Josef Freitag, Geschäftsführer der Stadtwerke Geldern, und Hendrik Keitlinghaus, Regionalgruppensprecher des Fachverband Biogas NRW. Hempelmann stellte in seinem Vortrag zunächst die Frage in den Vordergrund, welche Auswirkungen die von der schwarz-gelben Bundesregierung beschlossene Laufzeitverlängerung für deutsche Atomkraftwerke für den bundesdeutschen Energiemarkt, aber auch für die Gesamtwirtschaft und den einzelnen Privatverbraucher habe. Hempelmann legte dar, dass die Hauptprofiteure der Laufzeitverlängerung allein die vier „Energieriesen“, E.ON, RWE, Vattenfall und En.BW seien. Leidtragende seien die kleineren Energieanbieter – insbesondere diejenigen, die in den vergangenen Jahren in Eigenkapazitäten zur Stromer-zeugung, wie etwa Blockheizkraftwerke (KWK-Kraftwerke), Solarenergie- oder Biogasanlagen investiert hätten: Durch die Laufzeitverlängerung der längst abgeschriebenen Atomkraftwerke sei es den „vier Großen“ am Energiemarkt möglich, den Strom zu konkurrenzlos günstigen Preisen anzubieten, was gerade jene Anbieter abstrafe, die in den vergangenen Jahren den Ausbau dezentraler Stromnetze auf Basis Erneuerbarer Energien vorangetrieben haben. Hierdurch, fuhr Hempelmann fort, sei auch das Wachstum vieler weiterer Branchen betroffen: Insbesondere die Hersteller von Kraftwerken, aber auch die umfangreiche Kette der Zulieferindustrien leide durch die schwarz-gelbe Energiepolitik an Umsatzeinbrüchen. „Mit den Kraftwerksbauern ist somit auch eine zentrale Zukunftsindustrie betroffen, in der Deutschland unter Rot-Grün eine weltweite Führungsrolle eingenommen hatte. Diese Vorreiterposition drohen wir nun zu verlieren“, mahnte Hempelmann. Er wies darauf hin, dass nach Auffassung der meisten Experten eine Einbindung des Bundesrates in die Entscheidung über die Laufzeitverlängerung rechtlich zwingend erforderlich gewesen wäre. „Da die Bundesregierung diese Einbeziehung des Bundesrates jedoch unterlassen hat, können wir nun mit einer Klagewelle der Länder, aber natürlich auch der Oppositionsparteien und der kleinen und mittelgroßen Stromanbieter rechnen“, erklärte Hempelmann. Rückblickend könne festgehalten werden, dass die rot-grüne Energiepolitik bessere Grundvoraus-setzungen für eine sinnvolle energiewirtschaftliche Ausrichtung Deutschlands im 21. Jahrhundert gelegt habe. Aber Hempelmann übte auch Selbstkritik: „Ich denke jedoch, die SPD hat sowohl unter der Regierung Schröder, wie auch später in der Großen Koalition, zu sehr die Bedeutung der Nachhaltigkeit von Energiekonzepten betont. Wir haben es dabei versäumt, den Bürgerinnen und Bürgern zu verdeutlichen, dass uns die Bezahlbarkeit von Energie sowie die Versorgungssicherheit natürlich ebenso wichtig sind“, so der SPD-Energieexperte. Zusätzlich zum Ausbau Erneuerbarer Energiequellen sei es nötig, die Effizienz der Energienutzung zu maximieren. Die Auszeichnung von Haushaltsgeräten anhand von Energieklassen sei ein erster Schritt in diese Richtung gewesen, erklärte Hempelmann. Zukünftig sei jedoch eine dynamisierte Energieversorgung von entscheidender Bedeutung – insbesondere der Ausbau von intelligenten Versorgungsnetzen, welche den Energieanbietern ermögliche, sich flexibel auf Bedarfsschwankungen einzustellen, müsse mit Nachdruck vorangetrieben werden. In der anschließenden Podiumsdiskussion bestätigte Heinz-Josef Freitag die Aussage Hempelmanns, nach der insbesondere die kleinen Energieanbieter unter der Verlängerung der AKW-Laufzeiten zu leiden haben. In Erwartung des Automausstiege, so Freitag, hätten die Stadtwerke Geldern in den vergangenen Jahren in den Bau eines KWK-Kraftwerks investiert. Die Verlängerung der Atomlaufzeiten stelle die Wirtschaftlichkeit dieser Investitionen nun stark in Frage. Freitag betonte darüber hinaus, dass dem energieeffizienten Nutzungsverhalten der Verbraucher höhere Aufmerksamkeit geschenkt werden müsse. Besonders beeindruckt zeigte sich das Auditorium von den beispielhaften Konzepten zur Energieeinsparungsberatung, welche die Stadtwerke Geldern in Zusammenarbeit mit der Caritas für Kunden mit niedrigem Einkommen anbieten. Hendrik Keitlinghaus betonte die zukunftsweisende Ausrichtung des SPD-Energiekonzepts. „Nun ist es jedoch wichtig, auch Taten folgen zu lassen“, so der Regionalgruppensprecher des Fachverband Biogas NRW. Die Atomkraft hingegen lehnte Keitlinghaus ab: „Ich kann nicht verstehen, warum immer noch so getan wird, als sei die Atomkraft von Nöten. Sie macht gerade einmal 6% unserer Gesamtenergieversorgung aus. Zum Vergleich haben die Erneuerbaren Energien seit den frühen 1990er Jahren ihren Anteil an der Gesamtenergieversorgung von 4% auf nunmehr 12% gesteigert. Dennoch wird immer so getan, als sei Atomenergie der zentrale Tragpfeiler unserer Energieversorgung.“
Nachhaltige Energiepolitik statt Atomkraft
